Das Potenzial von selbstsouveraenen Identitaeten SSI am Beispiel der Energiewirtschaft

Das Potenzial von Selbstsouveränen Identitäten am Beispiel der Energiewirtschaft

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SSI – Self- Sovereign Identities

Schlagwörter:

Blockchain, Blogbeitrag, Self-Sovereign-Identity, SSI, Web3

Warum SSI?

Bisherige Lösungen für das Managen von Identitäten sind gekennzeichnet von Datensilos, die einerseits jeder Diensteanbieter mit hohem Aufwand selbst betreibt — oder andererseits von globalen Identitätsanbietern, die den Diensteanbietern diesen Aufwand abnehmen können. Das Problem des isolierten Identitätsmanagements ist, dass der durchschnittliche Internetnutzer über 20 verschiedene Identitäten hat, die separat angelegt und gewartet werden müssen — mit entsprechendem Aufwand und daraus resultierend Inkonsistenzen zwischen den Datensilos. Globale Identitätsmanager wie Google helfen, diese Probleme mit Hilfe des Single-Sign-On unter Nutzung einer Google-ID zu überwinden. Für den Nutzer ist dies bequem und einfach. Jedoch wird die Hoheit über persönliche Daten und deren kommerzielle Verwertung aus der Hand gegeben.

Vor diesem Hintergrund streben Selbstsouveräne Identitäten (SSI) die Verknüpfung der Nutzerfreundlichkeit einer Google-ID mit einem hohen Grad an Nutzerkontrolle und Privatsphäre an.

Was genau ist SSI?

SSI bilden die neueste Entwicklungsstufe digitaler Identitäten. Eine Identität meint alle Attribute einer Person, Organisation, oder Gegenstands, die dieses Subjekt definieren. Attribute beschreiben die Charakteristika eines Subjekts. Eine digitale Identität meint hier die digitale Repräsentation dieser Attribute. Je nach Verwendungskontext können verschiedene Teilidentitäten benötigt werden, die nur einen Teil der Attribute umfassen.

Ein Credential ist ein fälschungssicherer und überprüfbarer Nachweis von Attributen eines Subjekts. Credentials werden in einem persönlichen digitalen Wallet gehalten. Das Subjekt ist der Holder der Nachweise, nachdem es diese von einem Issuer beschafft hat. Ein Issuer stellt Credentials nach einem Schema aus, das eine übergreifende Verwendung und allgemeingültige Interpretation erlaubt. Ein Verifier fordert, z.B. für den Zugriff auf einen Dienst, einen Nachweis einer Berechtigung (ein Credential) von dem zugreifenden Subjekt. Über ein Verifiable Data Registry werden dazu Identifikatoren ausgetauscht, die auf Subjekte, deren Credentials und deren Issuer verweisen können. Das Verifiable Data Registry enthält keine subjektbezogenen Daten.

Rollen und Informationsflüsse beim Identitätsmanagement mit SSI - 51nodes
Rollen und Informationsflüsse beim Identitätsmanagement mit SSI (Quelle: https://www.w3.org/TR/vc-data-model/#roles)

Welchen Mehrwert bringt SSI?

SSI überwindet das inkonsistente und — für Nutzer als auch Diensteanbieter — aufwändige Identitätsmanagement in isolierten Datensilos und gleichzeitig die Abhängigkeit von bisherigen Single-Sign-On-Identitätsmanagern wie Google und Twitter, die die Anmeldevorgänge der Nutzer kontrollieren, auswerten und verwerten. Mit SSI haben Subjekte wie Personen oder Maschinen eine einzige Identitätsverwaltung (zumindest für einen gewissen Namensraum). Die einer Identität zugeordneten Berechtigungsnachweise müssen nur einmal eingeholt werden und können dann nach Bedarf passgenau für beliebig viele Anmelde- und Nachweisprozesse eingesetzt werden. Analog zur Plastikkärtchen-Identität können die Nachweise geprüft werden, ohne den Herausgeber zu involvieren.

Silos vs SSI - 51nodes

Heutiges Identitätsmanagement in Silos vs. Selbstsouveränes Identitätsmanagement (Adaptiert von: https://digitaleweltmagazin.de/2019/08/12/chancen-der-self-sovereign-identities-ssi-aus-sicht-von-unternehmen-fuer-das-identity-access-management-iam/)

Für Diensteanbieter vereinfachen sich Onboardingprozesse, das sogenannte Know-your-Customer und die Compliance zu den damit verbundenen Regularien. Zudem sind die bereitgestellten Identitätsinformationen aktuell. Durch die Vereinfachung der Onboardingprozesse werden diese auch mit einer höheren Wahrscheinlichkeit als bislang von den Nutzern abgeschlossen.

Nutzer von Diensten (beliebige Subjekte, auch Maschinen) können ihre Identität in Plug-and-Play-Manier einsetzen und ihre Identität einfach zwischen verschiedenen Diensten portieren. Das Verwalten und Aktuellhalten von dutzenden Nutzerkonten und das Merken der zugehörigen Passwörter entfällt, da nur noch ein Zugang zum persönlichen Wallet erforderlich ist. Konsequenterweise reduzieren sich auch IT-Sicherheitsprobleme, die durch die Verwendung des gleichen Passworts für verschiedene Nutzerkonten entstehen.

Welche Herausforderungen gibt es?

Einschränkend kann vermerkt werden, dass die Vorzüge und Nutzbarkeit einer selbstsouveränen Identität sich zunächst auf diejenigen Dienstanbieter beziehen, die auf einer Verifiable Data Registry präsent sind — ähnlich den mobilen Anwendungen auf den App Stores. In Analogie dazu ist ein SSI-Netzwerk umso wertvoller für seine Nutzer, je mehr Dienste darüber nutzbar sind. Schließlich ist hier ein Wachstums- und Konsolidierungsprozess zu erwarten, der über die Durchsetzung von bestimmten Angeboten entscheidet.

Ein kritischer Gedanke ist, dass mit dem Verifiable Data Registry eine ähnliche Abhängigkeit der Identitäts-Subjekte wie bislang zu den Single-Sign-On-Anbietern aus den Sozialen Medien entstünde. Dieser Gedanke führt jedoch in die Irre, denn das Verifiable Data Registry kann mit Hilfe von Distributed Ledger-Technologie in einem Blockchain-basierten Netzwerk betrieben werden. Mehrere dezentrale Rechenknoten, die von unterschiedlichen Akteuren betrieben werden können, würden das Netzwerk bilden. Oftmals sind hier auch Non-Profit-Organisationen wie Sovrin oder die Energy Web Foundation aktiv. Ein deutlicher Kontrast zu den bisherigen Single-Sign-On-Anbietern.

Ein ausschlaggebender Faktor für den Erfolg von SSI wird sein, dass die Issuer von Credentials das erforderliche Vertrauen herstellen können. Weiterhin wird, wie so oft, die Nutzererfahrung und die daraus resultierende Akzeptanz entscheidend sein. Lösungsanbieter wie Spherity nutzen eine Cloud, um ein nutzerfreundliches Identitätswallet bieten zu können, das auch Private Keys verwahrt und vor dem ungewollten Verlust der Identität schützt.

Wer treibt SSI voran?

Die Bundesregierung und die Europäische Union sind unter anderem Treiber von SSI. Sie fördern das Entwickeln der Konzepte, Technologie, Standards und Regulierungen bis hin zu Pilotierungen in verschiedensten Branchen und Bereichen.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie fördert z.B. das „Schaufenster sichere digitale Identitäten“. Eines der Schaufensterprojekte ist IDunion. IDunion arbeitet an der Schaffung eines offenen Ökosystems für dezentrale, selbstsouveräne Identitäten. Dazu wird mit Blockchain-Technologie ein verteiltes Identitätsnetzwerk aufgebaut. Das Projekt wird von 47 namhaften Forschungs- und Industriepartnern vorangetrieben. 51nodes ist Partner von IDunion.

Schaufensterprojekte Digitale Identitäten
Schaufensterprojekte Digitale Identitäten (Quelle: https://digitale-identitaeten.de/schaufensterprojekte/)

Die Europäische Union finanziert z.B. das „European Self-Sovereign Identity Framework Lab“. 20 Teilprojekte kümmern sich um die Schaffung und Erweiterung eines Open Source-Softwareframeworks für SSI. Weitere 42 Teilprojekte entwickeln kommerzielle Komponenten and Dienste unter Nutzung des SSI-Frameworks.

Anwendungsbeispiel: Wie kann SSI der Energiewirtschaft helfen?

Vor dem Hintergrund der Energiewende stehen die Betreiber von Übertragungs- und Verteilnetzen für elektrischen Strom vor großen Herausforderungen und neuen gesetzlichen Pflichten. Über eine Million (privater) dezentraler Stromerzeuger müssen effizient und effektiv in bestehende energiewirtschaftliche Prozesse (z.B. der Regelleistung und des Engpassmanagements im Redispatch 2.0) integriert werden.

Leistungen und Prozesse der Energiewirtschaft
Leistungen und Prozesse der Energiewirtschaft (Quelle: https://www.next-kraftwerke.de/wissen/systemdienstleistungen)

Aktuell sind energiewirtschaftliche Prozesse gekennzeichnet durch produktspezifische und teilweise aufwendige Registrierungsprozesse an verschiedenen Stellen. Beispielsweise kann man hier das Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur, die Regelleistungsplattform der Übertragungsnetzbetreiber und die Plattform connect+ zur Kooperation und zum Datenaustausch der Netzbetreiber nennen. Hinzu kommt eine geringe Motivation der Betreiber von kleinen Energieerzeugungsanlagen und der Sicherung der Aktualität der Daten an den unterschiedlichen Registrierungsorten.

Die Frage von erforderlichen Nachweisen betrifft z.B. die Art der Stromerzeugung (z.B. EEG-Anlage) bzw. für welches energiewirtschaftliche Produkt die Anlage eingesetzt werden darf und kann. Die Identifikatoren (Energy Identification Code) für Anlagen werden zentral durch den BDEW vergeben. Weiterhin gibt es Vorgaben zur Marktkommunikation durch den Regulator, die mit Hilfe einer Zertifikatinfrastruktur für Signierung und Verschlüsselung erfolgt. D.h. die Zertifikate müssen bei allen genannten Stellen eingepflegt und aktuell gehalten werden. In einem “Internet of Energy”, wenn Millionen von Endkunden mit ihren dezentralen Flexibilitätsanlagen (z.B. Elektromobilität, Heimspeicher, Wärmepumpen, etc.) auf den Energiemarkt drängen, kommen diese Systeme zur Abwicklung der Massenprozesse für Registrierungs- und Veränderungsanforderungen in der notwendigen Geschwindigkeit an ihre Grenzen.

Der Ansatz von SSI verspricht demgegenüber die Vision der Integration von Millionen von dezentralen Anlagen in die Prozesse und IT-Systeme der Netzwirtschaft in unaufwändiger Plug-and-Play-Manier, ohne dass Mehrfachanmeldungen und parallele Konsistenzhaltung in redundanten isolierten Identitätsmanagementsystemen weiter erforderlich wären. Damit sollten Hürden für Anlagenbetreiber sinken und die Prozesse der Netzwirtschaft können schlanker und reibungsärmer aufgestellt werden. Schließlich würde ein wichtiger Beitrag für das Gelingen der Energiewende geleistet.

Aktuell arbeitet 51nodes gemeinsam mit dem Übertragungsnetzbetreiber TransnetBW an der Erörterung von SSI im Kontext der Energiewirtschaft. Bislang konnten schon mehr als zehn potenzielle Anwendungsfälle für SSI identifiziert werden.

Interesse an SSI?

51nodes ist ein Anbieter von Lösungen für die Crypto Economy. 51nodes unterstützt Unternehmen und andere Organisationen bei der Umsetzung ihrer SSI- und Blockchain-Projekte. Sie haben Fragestellungen zu digitalen Identitäten und Anknüpfungspunkte zur Nutzung von SSI? Kommen Sie gerne auf uns zu!

Weiterführende Informationen zu SSI

(1) Self-Sovereign Identity: The Ultimate Beginners Guide (Webseite)
(2) Self-Sovereign Identity: Grundlagen, Anwendungen und Potenziale portabler digitaler Identitäten (Whitepaper des Fraunhofer FIT)
(3) Chancen der Self-Sovereign Identities aus Sicht von Unternehmen für das Identity & Access Management (Webseite)
(4) Ein Überblick über das SSI-Ökosystem (wissenschaftlicher Artikel)
(5) Eine technische Umsetzungsplattform für SSI in der Energiewirtschaft: Energy Web Decentralized Operating System (Technische Konzeptdokumentation)